nowak Geschrieben 17. September 2022 Melden Geschrieben 17. September 2022 Auf der h&h werden einem ja immer mal Sachen in die Hand gedrückt, die man gar nicht wollte. Wenn auf der Tüte "Beissel" steht, man sie aber von einer Frau im Sari überreicht bekommt, dann bin ich erst mal neugierig, was sich dahinter verbirgt. Beissel ist ja eine traditionelle deutsche Marke und kommt, wie viele anderen Nähmaschinennadeln auch, aus Aachen. 1730 gegründet, wenn ich das richtig recherchiert habe. Aber wie das so ist, Firmen werden aufgekauft, Markennamen nicht mehr verwendet... und irgendwann kommt jemand, und nutzt den Namen für sein neues Produkt. Hier ist das eine Nähmaschinenfabrik aus Chennai, in Indien, die schon seit 1997 ein Joint Venture mit Lammertz betreibt. Inzwischen nennt man sich auch selbstbewusst Altek Beissel Needles und verwendet den Namen unter Lizenz von BMN Beissel Maschinennadel GmbH. Altek Beissel Needles stellt ein breites Sortiment für den industriellen Gebrauch (inklusive Nadeln für Schifflimaschinen) und für Haushaltsmaschinen im System 130/705H her. (Und die gängigen Zusatzformate wie Rundkolben oder ELX.) In meiner Tüte waren Nadeln in Kunststoffpäckchen auf eine Pappkarte geklebt, die Kunststoffpackungen erinnern an die von Organ. Meine Packung hatte Platz für 10 Nadeln, war aber nur mit 6 gefüllt. Ob das der Standard ist, oder als Probepackung für die Messe so konfektioniert wurde, kann ich nicht sagen. Zusätzlich gibt es inzwischen eine Verpackung aus recycelter Pappe, soweit ich das auf der Webseite sehen kann auch das komplette Sortiment. Nun hatte ich also Universalnadeln in Stärken von 70 bis 100. Was macht Frau damit? Testen natürlich. Natürlich gleich auf dem Einhorn. Ja, auch ich kenne Horrorstorys von schlechten Nadeln, die einem den Greifer zerschießen. Und nehme sonst natürlich nur bekannte Markennadeln. Aber wer sich auf der h&h die Mühe macht, Proben zu verteilen, vertraut seinem Produkt offensichtlich und in Indien gibt es jede Menge gut ausgebildeter Ingenieure und gute Handwerker. Also... warum sollen die Nadeln nicht funktionieren? Irgendwann kam ein passendes Projekt daher und ich schnappte mir die 70er Universalnadel. Ich würde jetzt gerne eine spannende Geschichte erzählen, aber es war einfach völlig unspektakulär. Die Nadel nähte, es gab keine Fehlstiche, sie hielt auch brav ein Projekt durch. (Dummerweise habe ich vergessen, welches es war... ich glaube, ein Kleid aus Seide/Viskose Damast.) Trotzdem war meine Neugier damit noch nicht ganz befriedigt. Ich meine, näht gut... das tun ja viele. Und selbst ziemlich durchgenudelte Nadeln tun oft noch ihren Dienst, ohne dass am Stichbild was auffällt. (Gut, das Geräusch wird dann irgendwann seltsam...) Jetzt hatte ich aber die großartige Gelegenheit, Nahaufnahmen von einer Beissel Nadel zu bekommen. Sehr nah. Mit einem Elektronenmikroskop. Unser Forenmitglied xpeti hatte die Möglichkeit, eine der Nadeln in eine Elektronenmikroskop zu legen. Und da ich keine Ahnung habe, wie andere Nadeln unter dem Elektronenmikroskop aussehen, hat sie das mit verschiedenen Nadeln verschiedener Marken für mich gemacht. (Darüber wird es noch einen Artikel geben, heute bleiben mir mal bei Beissel.) Ich bin natürlich keine Spezialisten für Mikroskopaufnahmen und weiß nur so viel, dass im Elektronenmikroskop ungefähr alles etwas unregelmäßig oder zerklüftet aussieht, weil die Auflösung sehr hoch ist. Und dass man die Sachen vorher besser gut sauber macht, weil man sonst vor allem Dreck sieht. Nun ja, das ist nicht meine Expertise, also beschränkte ich mich drauf, die Nadeln möglichst vorsichtig in einen Plastikverpackung von Organ zu stecken, damit sie unterwegs nicht beschädigt werden und auch noch zuordenbar bleiben. Und dann der Post anzuvertrauen. Für den Vergleich hier habe ich die Nadel von Bernina genommen, weil für mein Eindruck der Aufnahmewinkel ähnlich war. Nadelspitzen im Vergleich, links Beissel, rechts Bernina Hier die Spitzen der beiden Nadeln. Es ist jeweils eine 80er Universalnadel, links die Nadel von Beissel, rechts die von Bernina. In der Auflösung haben beide kleine Dellen und "Ausbuchtungen" (und ich fürchte, zumindest die Nadel links war nicht sauber...), aber der kleine weiße Balken unten links im Bild gibt den Maßstab von 100µm an, also 0,1 mm. In Relation zu jedem Stoff und jedem Faden ist das glatt und die Nadel von Beissel fällt nicht negativ auf. Nadelöhr im Vergleich: links Beissel, rechts Bernina Und hier auch noch das Nadelöhr im Vergleich. Für mein Laienauge würde ich erstmal sagen, hier sieht die Beisselnadel etwas glatter aus, die von Bernina hat mehr Unregelmäßigkeiten. Die Logik sagt dann aber, dass der Stahl von Spitze und Öhr sicher der gleiche ist, die vermeintlichen Unterschiede also eher etwas mit Beleuchtung und ggf. auch Dreck zu tun haben. Fazit meines völlig unwissenschaftlichen Tests: Die Nadelmarke kann man getrost mitnehmen, wenn man sie beim Händler findet. (Online habe ich sie auch schon in einigen Shops gesehen.) Ich würde keine Probleme durch die Nadel erwarten. Falls hier jemand schon mit Nadeln von Altek Beissel genäht hat, bin ich natürlich gespannt, auf noch mehr Praxiserfahrung. artikel vollständig sehen
Carlista Geschrieben 18. September 2022 Melden Geschrieben 18. September 2022 wahnsinnig spannend. Das macht Lust auf mehr. LG Carlista
moniaqua Geschrieben 18. September 2022 Melden Geschrieben 18. September 2022 Zitat Die Logik sagt dann aber, dass der Stahl von Spitze und Öhr sicher der gleiche ist, die vermeintlichen Unterschiede also eher etwas mit Beleuchtung und ggf. auch Dreck zu tun haben. Die Unterschiede können auch etwas mit der Endverarbeitung zu tun haben und hier hat in meinen Augen Beissel sehr gut gearbeitet. Ich bin mir mit der linken hinteren Kante nicht ganz sicher, die scheint etwas scharf, aber das kann eine Frage der Perspektive sein. Bei Bernina ist rechts so eine Kante zu sehen. Was mir an der Beissel sehr gut gefällt ist die Oberfläche des Nadelöhrs. Bei der Bernina-Nadel scheint der Guss nicht ganz sauber gewesen zu sein (die dunkleren Stellen auf der linken Seite). Dafür ist die im Öhr etwas mehr verrundet, was für den Faden günstiger sein dürfte. Ob das beim Nähen relevant ist, kann ich nicht sagen
xpeti Geschrieben 18. September 2022 Melden Geschrieben 18. September 2022 Da das Mikroskop in der Routine nur 2D kann musste ich die Nadeln etwas verkippen um ins Öhr zu schauen. Eigentlich hätte ich die Nadeln tatsächlich richtig reinigen müssen aber dazu hatte ich keine Zeit.
Nixe28 Geschrieben 18. September 2022 Melden Geschrieben 18. September 2022 vor 31 Minuten schrieb xpeti: Da das Mikroskop in der Routine nur 2D kann musste ich die Nadeln etwas verkippen um ins Öhr zu schauen. Eigentlich hätte ich die Nadeln tatsächlich richtig reinigen müssen aber dazu hatte ich keine Zeit. Danke dafür, die Bilder sind echt klasse und super interessant!
moniaqua Geschrieben 18. September 2022 Melden Geschrieben 18. September 2022 vor 48 Minuten schrieb xpeti: Eigentlich hätte ich die Nadeln tatsächlich richtig reinigen müssen aber dazu hatte ich keine Zeit Ich finde das auch ungereinigt schon äußerst spannend :). Wann hat man schon mal Gelegenheit, Nähnadeln in dieser Vergrößerung zu sehen... Lieben Dank dafür. Ich bin schon gespannt auf die anderen Nadeln.
elbia Geschrieben 18. September 2022 Melden Geschrieben 18. September 2022 Danke für diesen Artikel - ich bin gespannt auf weitere Berichte. Wer zum Vergleich noch zusätzliche, eindrucksvolle Nahaufnahmen von Nadeln sehen möchte - auch von schlechten Nadeln :
flocke1972 Geschrieben 18. September 2022 Melden Geschrieben 18. September 2022 Vielen Dank. Ich finde das sehr spannend. Wo bekommt man schon die Nadeln in so einer Auflösung zu sehen? Ich bin auf den anderen Bericht gespannt und danke euch beiden @nowak und @xpeti.
nowak Geschrieben 18. September 2022 Autor Melden Geschrieben 18. September 2022 vor 7 Stunden schrieb xpeti: Eigentlich hätte ich die Nadeln tatsächlich richtig reinigen müssen aber dazu hatte ich keine Zeit. Das war meine Vermutung, deswegen habe ich den vermeintlichen "Dellen und Hügeln" auch nicht so viel Beachtung geschenkt.
stoffmadame Geschrieben 18. September 2022 Melden Geschrieben 18. September 2022 Ich finde das auch sehr interessant. Ich finde, die Form der Spitze ist sehr unterschiedlich, dafür dass das beides achtziger universal sind. Ich hatte gedacht, die eine hat eine Kugelspitze und die andere eine halbe Kugelspitze oder so etwas ähnliches 🤔
xpeti Geschrieben 18. September 2022 Melden Geschrieben 18. September 2022 Die Dellen im Bereich der Spitze bei Beissel sind schon echt aber Bernina hat da auch eine "Narbe". Im Öhrbereich sieht man bei Bernina mehr Rauhigkeit als bei Beissel. Man bedenke aber das das ein Zufallsbefund an einer Nadel ist und man den Fertigungsprozeß nicht kennt. In welchem Abstand werden die Maschinen justiert und in welcher Spanne innerhalb dieses Abstands sind die Nadeln gefertigt. Ich habe schon bedeutend schlechtere Nadelspitzen und Öhre gesehen.
nowak Geschrieben 18. September 2022 Autor Melden Geschrieben 18. September 2022 Danke für die weitere Interpretation der Bilder! Ja, das sind genau einzelne Nadeln. Damit man generell was sagen könnte, müßte man vermutlich mindestens drei bis fünf aus verschiedenen Produktionschargen vergleichen. Aber für unsere Zwecke reicht das glaube ich so. In erster Linie sollen sie gut nähen.
Scherzkeks Geschrieben 19. September 2022 Melden Geschrieben 19. September 2022 @nowak @xpeti Sehr spannend! Danke Euch für Eure Arbeit und Bericht. Liebe Grüsse Silvia
lealeni Geschrieben 19. September 2022 Melden Geschrieben 19. September 2022 Danke euch beiden für eure Arbeit. Eine sehr gute und nützliche Information.
Großefüß Geschrieben 19. September 2022 Melden Geschrieben 19. September 2022 Danke euch für den Artikel.
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