peterle Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 Es stellen sich ja viele Menschen oft die Frage, ob etwas denn qualitativ gut sei? Und dann ist die nächste Frage oft - was heißt denn qualitativ gut und was heißt das bei Nähmaschinen? Jeder kennt die Geschichten von den alten Nähmaschinen, die schnurrten wie Nähmaschinen und toll und unzerstörbar waren usw. usf.. Nur ist da auch eine Menge Glorifizierung der Vergangenheit bei und man hat die ganzen Probleme, die man mit solchen Maschinen auch immer wieder gerne mal hatte, alle verdrängt. Das ist menschlich und nicht zwingend unsympathisch. Nun schauen wir uns hier einmal eine Nähmaschine von Brother an, die schon ein paar Jahre brav genäht hat und benutzt wurde. Brother ist über die letzten Jahre dafür bekannt geworden, in beeindruckender Qualität finanziell erschwingliche Nähmaschinen zu bauen, die sehr gut funktionieren und sehr viele Feature dabei bieten. Die NV-55 war eine Maschine aus dem gehobenen Einsteigersegment, die mechanisch mit der allseits bekannten NV-10a sehr stark verwandt ist. Wir sehen, das gute Stück zeigt Spuren der Benutzung und Zeit und näht nicht mehr immer vorwärts. Die Stichplatte zeigt Kratzspuren von Nadeln und Nähgut, hat aber erfreulicherweise keine nennenswerten Beschädigungen durch "kreative" oder "sportliche" Bedienung hinnehmen müssen, bei denen durch falsche Bedienung das Stichloch durch Nadeleinstiche zerstört wird. Hier reicht ein leichtes Polieren völlig aus. Der Spulenträger sieht leider nicht ganz so gut aus, weil er zwei unschöne Durchstiche von Nadeln zeigt. Diese sind nicht in einem Bereich, in dem der Faden vorbeikommt. Man sieht auch eine Menge Schmutz im Korb, die die Spule bremst und im Ablauf behindern wird, was das Spannungsbild unschön macht. Je mehr man auseinandernimmt, um so mehr Staub und Nähschleiß kommt zum Vorschein. So erschreckend das auch aussehen mag - es ist völlig normal. Zumindest solange man seine Nähmaschine nicht öfters mal selber mit einem Staubsauger und Eckdüse oder Ohrwatscheln und Wattepads reinigt. Dann kann eine Maschine in so einem Alter und Benutzungsgrad auch blitzblank innen aussehen. Auch in den Zahnrädern und den Exzentern findet sich der besagte Schmutz und setzt sich dort in die Zwischenräume rein. Verklebt mit dem Fett und kann zu einem beträchtlichen Schwergang und verstellten Greifern oder anderen Schäden führen. Obendrauf fand sich noch eine alte zerquetschte Rolle Garn und um den Spuler herum waren einige Fäden untergelaufen, die auch gerne mal Probleme dort machen können: Hier waren das relativ wenige, manchmal aber bekommt man den Fadenabschneider kaum noch abgezogen. Auch ein typisches Handhabungsproblem, wenn man mal beim Spulen nicht aufpasst. Soweit sieht das alles nach einer alten Nähmaschine aus. Typische Beschädigungen und Verschmutzungen. Benutzt wurde sie also eindeutig und da stellt sich die Frage, wie sie das alles denn so überstanden hat. Also ist putzen, reinigen, schmieren und polieren angesagt. Also Zahnräder wieder sauber ... Schmutz raus und Greifer poliert und geölt - die Mitte nie vergessen! An einigen Stellen ist Fett noch reichlich vorhanden, an anderen ist es nicht mehr vorhanden oder schwergängig geworden. Teilweise muß man Teile zerlegen, um es sauber und neu gefettet zu bekommen. Und so sieht die Nähmaschine dann von innen bzw. meine Schuhe von außen aus ... Sauber und ordentlich aufgebaut. Auch von außen kriegt man vieles wieder sauber und Streifen und Schmutz weg. Der Einfädler hatte noch ein Problem in Form einer rausgesprungenen und verbogenen Feder unter dem Einfädelhaken. Kann man mit Geschick gut richten und hat einen erstklassig funktionierenden Einfädler wieder zurück. Alles leichtgängig, alles poliert, alles geschmiert und die Spannung leicht optimiert - dann schauen wir, wie es funktioniert: Stichbild oben oben und unten unten Man sieht ein sauber eingezogenes Stichbild bei maximaler Breite und mittlerer Länge über die rechte und linke Seite, einen ebensolchen Geradstich mittlerer Länge und Zickzack mittlerer Breite und Länge. Lediglich die transportgesteuerte simulierte Overlocknaht, zieht den Oberfaden in der Spitze leicht nach unten. Das kann man als Anwender über die Spannung problemlos selber korrigieren und wenn man es intern insgesamt fester stellt, bekommt man schnell Probleme mit Nahtkräuseln bei dünnen und elastischen Materialien und wir wollen ja ALLES nähen. Das Laufgeräusch ist wie aus der Fabrik ruhig, gleichmäßig und leise, die Bedienung einwandfrei und sie näht auch wieder in die richtige Richtung. Nach meiner Erfahrung ist das eine beeindruckende Qualität, die noch viele Jahre Spaß machen wird, wenn man sie pfleglich behandelt und immer wieder mal warten und schmieren läßt. artikel vollständig sehen
det Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 (bearbeitet) Danke für den Bericht, Peter! Als bekennender Alteisenglorifizierer erlaube ich mir ein paar Fragen: - Wie alt mag die Brother sein? Laut Amazon seit 2012 im Angebot, ein Auspackvideo ist von 2016 - Was kostet dieser Service - oder wie lange hast du dafür gebraucht? (Zeit für's Dokumentieren/Fotografieren abgezogen) Oft brauche ich für das zerstörungsfreie, naja, manchmal nur zerstörungsarme, Zerlegen der Plastikgehäuse mehr Zeit als für's Staubputzen und Fetten/Ölen. Wobei das eher Maschinen aus dem unteren Preissegment sind. Diese Brother dürfte +/- 600 Euro gekostet haben, da erwarte ich eine servicefreundlichere "Verpackung". Gruß Detlef Bearbeitet 29. April 2022 von det
peterle Geschrieben 29. April 2022 Autor Melden Geschrieben 29. April 2022 vor 10 Minuten schrieb det: Danke für den Bericht, Peter! Gerne. vor 10 Minuten schrieb det: Als bekennender Alteisenglorifizierer erlaube ich mir ein paar Fragen: - Wie alt mag die Brother sein? Laut Amazon seit 2012 im Angebot, ein Auspackvideo ist von 2016 Das kann ich Dir leider nicht genau sagen, wie ich es verstanden habe, irgendwas um die 5 bis 7 Jahre oder so. vor 10 Minuten schrieb det: - Was kostet dieser Service - oder wie lange hast du dafür gebraucht? (Zeit für's Dokumentieren/Fotografieren abgezogen) Das hängt davon ab, was einen alles hier drin so überrascht. Wenn man es gründlich macht und alles mal anschaut und prüft, dann sind schnell ein bis zwei Stunden weg. Man kann aber auch "auf Lücke" schneller machen und da wo meist eh nichts ist, gar nicht hinsehen. Mache ich aber nicht gerne, weil einen dann nachher doch irgendwas anspringt. Zu Preisen sage ich nichts. Wir machen hier keine Preis und Gelddiskussion draus. Danke für den Verständnis. vor 10 Minuten schrieb det: Oft brauche ich für das zerstörungsfreie, naja, manchmal nur zerstörungsarme, Zerlegen der Plastikgehäuse mehr Zeit als für's Staubputzen und Fetten/Ölen. Wobei das eher Maschinen aus dem unteren Preissegment sind. Diese Brother dürfte +/- 600 Euro gekostet haben, da erwarte ich eine servicefreundlichere "Verpackung" Die Verschalung ist recht ausgebufft und wenn man weiß, wo und wie man so drücken, ziehen, klopfen muß, dann fallen die einem zwar nicht immer in die Hände, aber oft sind sie gut zu öffnen und durch die Skelettbauweise auch in der Mechanik dann gut erreichbar. Ist aber sicherlich Übungssache.
stoffmadame Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 Wow das war mal interessant! Danke fürs Zeigen 😊 Und schön, so eine erfreuliche (Beurteilung der) Qualität zu bekommen.
det Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 (bearbeitet) vor 25 Minuten schrieb peterle: Zu Preisen sage ich nichts. Wir machen hier keine Preis und Gelddiskussion draus. Danke für den Verständnis. OK, an Hand deiner Infos kann ich das so grob überschlagen. vor 25 Minuten schrieb peterle: Die Verschalung ist recht ausgebufft und wenn man weiß, wo und wie man so drücken, ziehen, klopfen muß, dann fallen die einem zwar nicht immer in die Hände, aber oft sind sie gut zu öffnen und durch die Skelettbauweise auch in der Mechanik dann gut erreichbar. Ist aber sicherlich Übungssache. Bestimmt, wenn ich mal so einen Billig-Plastikbomber (Edit: aus der 70 bis 200 Euro Klasse) auf dem Tisch habe dann ziehe, drücke, klopfe ich auch, aber mangels Serviceanleitung zieht sich das dann hin oder es bricht letztendlich doch irgendwo ein Plastikzahn ab. Gruß Detlef Bearbeitet 29. April 2022 von det
beateka Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 Danke für den Bericht! Bei Zitat Wir sehen, das gute Stück zeigt Spuren der Benutzung und Zeit und näht nicht mehr immer vorwärts. hatte ich ein Déjà-vu, weil ich eine ähnliche von Brother habe, die auch nicht immer nur vorwärts näht. Wenn man sie 40 Mal anmacht näht sie einmal so wie sie soll, 39 Mal ist die Stichlänge zu kurz oder negativ, d.h. sie näht rückwärts! Und ich dachte die ganze Zeit, das sei ein Software-Problem, aber jetzt wo ich drüber nachdenke, kann das ja fast gar nicht sein, die Software kann sich ja eigentlich nicht ändern. Daher werde ich es auch mal mit reinigen versuchen, so gut ich es hinbekomme. Danke!
peterle Geschrieben 29. April 2022 Autor Melden Geschrieben 29. April 2022 vor 36 Minuten schrieb det: Bestimmt, wenn ich mal so einen Billig-Plastikbomber (Edit: aus der 70 bis 200 Euro Klasse) auf dem Tisch habe dann ziehe, drücke, klopfe ich auch, aber mangels Serviceanleitung zieht sich das dann hin oder es bricht letztendlich doch irgendwo ein Plastikzahn ab. Probier es mal mit Plex von der Gitarre oder auch eines dieser ganzen Handy-Reparatur-Werkzeug-Komplett-Sets. Die sind beim Forschen nach unbekannten Clips und Klammern eine echte Unterstützung. Die Brother ist auch kein Billig-Plastikbomber. Das ist alles sehr hochwertig, auch und vor allem der Kunststoff.
peterle Geschrieben 29. April 2022 Autor Melden Geschrieben 29. April 2022 vor 35 Minuten schrieb beateka: Daher werde ich es auch mal mit reinigen versuchen, so gut ich es hinbekomme. Du solltest sie mal Warten lassen, die Chancen sind gut, daß sie an Stellen klemmt, an die Du besser nicht so ohne weiteres rumschraubst. Aber Sauber in die Wartung geben, ist auch immer eine Freude.
Scherzkeks Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 vor 4 Stunden schrieb peterle: hat aber erfreulicherweise keine nennenswerten Beschädigungen durch "kreative" oder "sportliche" Bedienung hinnehmen müssen, Immer wieder eine sehr nette Beschreibung von Dir! Danke für den Bericht - ich finde das mit Bildern immer wieder spannend. Liebe Grüsse Silvia
Großefüß Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 Danke an @peterlefür diesen interessanten Artikel.
akinom017 Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 Vielen Dank für den Blick in die Maschine
Friedenstaube Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 Danke für den informativen Bericht, Peter. Es lohnt sich ja doch fast immer, die Maschine sauber zu machen. Das ist oft die Lösung der Nähprobleme. Habe da schon gehört, daß manche jahrelang nähen und nie ans sauber machen denken. Dann wundert man sich wenn die Maschine zickt. Dabei sitzt das Problem meist davor. Gerade so kleine Brother Maschinen habe ich wohl unterschätzt. Es sieht so aus, als könnte man damit auch lange Freude am Nähen haben, sie sind gut und einfach zu transportieren und haben Alles, was nötig ist. Obwohl ich eher nicht der Brother Nutzer bin, bis jetzt jedenfalls, würde ich sie, nach Deinem Bericht in Betracht ziehen, sollte ich mal schnell ein Maschinchen brauchen.
det Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 vor 3 Stunden schrieb peterle: Probier es mal mit Plex von der Gitarre oder auch eines dieser ganzen Handy-Reparatur-Werkzeug-Komplett-Sets. Die sind beim Forschen nach unbekannten Clips und Klammern eine echte Unterstützung. Die Brother ist auch kein Billig-Plastikbomber. Das ist alles sehr hochwertig, auch und vor allem der Kunststoff. Das glaube ich gerne. Bei mir auf dem Tisch landen aber meist nur die Maschinen, die schon abgeschrieben sind, weil die Reparaturkosten beim Profi immer den Zeitwert und oft auch den Neupreis übersteigen würden. Danke für den Tipp, ich habe irgendwo noch so ein Handy-Reparaturset liegen, gehe mal suchen ...
Jana Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 wow, danke für die spannenden insights.
sisue Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 Danke, das ist mal eine interessante Perspektive.
flocke1972 Geschrieben 29. April 2022 Melden Geschrieben 29. April 2022 Als ich das Bild nur mit dem Innenleben der Maschine gesehen habe kam mir spontan der Film "Terminator" in den Sinn . Vielen Dank für den sehr informativen Bericht. LG flocke1972
Liane Geschrieben 30. April 2022 Melden Geschrieben 30. April 2022 Das ist ja schon mal ein An(ein)blick -- meine brother SG 2000 ist nunmehr 24 Jahre alt, hat anfangs gestickt und genäht, dann eine längere "Ruhephase" gehabt, in der sie fast nur genäht hat, weil eine 2. Stickmaschine einzog, die aber leider nun den Löffel gereicht hat, und nun stickt und näht meine alte Lady wie ein junges Ding ... ich klopfe derweil ans das dicke hölzerne Tischbein ... ich lasse sie ab und an mal gründlich nachschauen, ansonsten mache ich sie selbst soweit sauber, dass sie ihre Touren rennen kann. SOoo ha sie aber noch nie ausgesehen. Ich habe mal in Bad Vilbel gesehen, wie Herr D. eine Maschine auseinander genommen hat - das Krachen, als er das Gehäuse "abnahm", das höre ich immer noch ... aber es war und blieb heil - wie bei den anderen Maschinen auch Grüßle Liane
Manumehla Geschrieben 5. Mai 2022 Melden Geschrieben 5. Mai 2022 Auch von mir ein herzliches Dankeschön für die Einsicht in die Innerereien der Maschine. Sieht schon spannend aus... Ich selbst nähe nun seit 16 Jahren auf einer Brother NX 400. Sie wird regelmäßig ausgesaugt und nach jeder Benutzung wenigstens in der Spulenkapsel und drumherum mit dem Pinsel grob gereinigt. Zur Wartung war sie auch erst letztes Jahr. Die Nixe dankt es mir mit zuverlässiger Arbeit und schönen Nähten. Und nachhaltiger als "neu kaufen" ist regelmäßig reinigen sowieso
Strickliesel8 Geschrieben 7. Mai 2022 Melden Geschrieben 7. Mai 2022 "Der Einfädler hatte noch ein Problem in Form einer rausgesprungenen und verbogenen Feder unter dem Einfädelhaken. Kann man mit Geschick gut richten und hat einen erstklassig funktionierenden Einfädler wieder zurück." Hallo Peter, Danke für den informativen Artikel! Hast du irgendwo Informationen und/oder eine Makroaufnahme von dem Einfadler? Meiner verweigert seit einiger Zeit auch seinen Dienst und ich komme nicht dahinter, wo es hakt. Bin ganz neu hier und habe noch nicht rausgefunden, wie das mit dem zitieren funktioniert. Liebe Grüße Heidrun
Sewing Nurse Geschrieben 20. Juni 2022 Melden Geschrieben 20. Juni 2022 Was ich aus dem Bericht (mal wieder) mitnehme: 1. Nach einem Projekt die Maschine säubern 2. Regelmässig zur Wartung geben. Über "regelmässig" kann diskutiert werden. Ich denke Jemand, der ständig die Maschine in Gebrauch hat, sollte sie vielleicht häufiger zur Werkstatt seines Vertrauens bringen. Oder irre ich mich? 3. Die Bilder vom Innenleben der Maschine faszinieren mich - Danke dafür!
Almucci Geschrieben 4. September 2022 Melden Geschrieben 4. September 2022 Hallölchen, danke für diesen Beitrag! Meine Brother näht auch nur rückwärts….kann ich die zu dir schicken? Bisher war ich super zufrieden und würde gerne mit ihr weiter nähen! Hilfe 🙏
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