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Dieses Forum Altertümchen ist ja zur Vorstellung von und Fragestellung für historischer Maschinen gedacht. Als Vorstellung war auch mein Beitrag zur 100jährigen Singer 66K gedacht. Er wurde ja auch schon über 100 mal gelesen. Diese Maschine hat neben dem 12 Jahre älteren Oldie Singer 28 noch eine 2 Jahre jüngere Schwester eine 15D bekommen. Nach der Seriennummer wurde sie 1917 in Wittenberge gebaut. Keimzelle meiner Sammlung war die 677G von 1967 ein Erbstück von meiner Mutter, das jahrzehntelang unbenutzt herumstand. Damit habe ich in meiner Sammlung einen groben Querschnitt durch die Erfolgsgeschichte der Singermaschinen vom Anfang bis in die 70er Jahre mit den unterschiedlichen Greifersystemen. Auch meine Mercedes de Lux Automatik gehört ja eigentlich schon zum Hause Singer. Eine 12er Langschiffchen wäre für mich noch interessant, mal sehen. Langsam geht mir der Platz aus, auch wenn die Privileg 212N an meine Tochter weitervererbt wurde. Ich habe noch ein zweites Exemplar der Mercedes de Lux wegen der Ersatzteile ersteigert. Die Singer 677G und die Privileg habe ich im Nähmaschinenverzeichnis vorgestellt, bitte alle Altertümchen-Liebhaber, füttert dieses virtuelle Museum mit euren noch nicht erfassten Maschinen! Verzeichnis der Naehmaschinen - Naehmaschinenverzeichnis

 

Die Singer 15D ist bei Anlieferung aus einer Ebay-Auktion für 4,51€ schon mit einem ASPA TUR 2 motorisiert. Der ASPA TUR2 ist übrigens auch nach meinen Erfahrungen ein sehr leiser und feinfühlig zu steuernder Motor, der nur noch von dem auch stärkeren jugoslawischen ISKRA übertroffen wird. Ich verstehe jetzt, warum er sehr begehrt ist. Drei Maschinen habe nun damit ausgerüstet, aber diese Maschine hatte auch den Fußanlasser dabei, den ich auch für die anderen verwende.

 

Die Maschine war in ein einem etwas ungepflegtem, aber technisch und nach dem Reinigen optisch sehr guten Zustand, ohne gravierenden Rost. Nur die Kapsel des CB-Greifer war etwas angerostet, liess sich aber mit einer Drahtbürste wieder entrosten. Gelegentlich wird die mal erneuert. Ölen war natürlich erforderlich. Über die Singer 15K gibt es ja einige Threads, so dass ich mich auf ein paar Hinweise und Bilder beschränken kann.

 

Auch diese Maschine scheint ein Opfer der Zweckentfremdung des zugehörigen Gußgestells zu sein, jedenfalls waren die schwenkbaren Halter für die versenkbare Befestigung in der Tischplatte noch eingeschraubt. Auch diese Schätzchen wanderte in meine herausgefundene Umfunktionierung eines Karteikartenkastens.

 

Nach dem Ölen läuft die Maschine wie ein Uhrwerk. Sie näht einen sauberen, sehr feinen, bis unter 1mm einstellbaren Steppstich. Der Transporteur lässt sich an der Stellschraube bis auf 0mm Vorschub regulieren, aber nicht ausschalten. Für Stickarbeiten muß eine erhöhte Stichplatte auf die eingeschraubte gesetzt werden. Es passt die von meiner Pfaff 30!

 

Mein beschafftes Pfaff- und Singer Zubehör passt dank des niedrigen Nähfußes auf die Pfaff 30, die Singer 28K und auch auf diese Singer 15D. Nur die 66K hat die seltene hintere back-clamp Befestigung, für die ich aber auch fast alles gefunden habe. Vielleicht finde ich noch einen passenden Zickzackapparat, zum Vergleich mit der modernen Technik. Bei Youtube gibt es ganz interessante Videos davon, sogar mit Zierstichschablonen.

 

Die Fadenspannung, noch komplett mit augenscheinlich schon mal erneuerter Fadenanzugfeder, seitlich an der Abdeckung der Nadelmechanik, habe ich zerlegt und gereinigt. Interessant ist die seitliche Auslösung bei Anheben des Stoffdrückerhebels. Dieser drückt in oberer Stellung seitlich auf den Auslösestift.

 

Die Abdeckplatten habe ich mit dem bewährten „Pol“ wieder weitgehend blank poliert. Die Schieberplatte und Nadelplatte glänzen noch ohne Korrosionserscheinungen. Am Handrad ist die Verchromung stellenweise abgeplatzt, aber sonst auch noch gut erhalten. Der Lack ist noch relativ gut und das Dekor sehr gut erhalten. Ich habe alles mit WD40 abgerieben – das ist auch ein hervorragendes Reinigungsmittel, auch für viele Kunststoffteile, aber immer an unsichtbarer Stelle ausprobieren. Vorsicht, es kann bei längerem Kontakt zu Hautirretationen führen, Gummihandschuhe sind zweckmäßig. Der für mich als Technikfreak nicht unangenehme Geruch verfliegt schnell. Der ist aber als Mineralölderivat sicher nicht gesundheitförderlich, deshalb bei guter Belüftung arbeiten! Anschließend wurde der Lack mit Autohartwachs konserviert und blank gerieben. Etwas historische Patina soll aber bleiben, man darf dem Altertümchen das knappe Jahrhundert auch ansehen. Ich mag wie schon erwähnt keine Micky-Maus Maschinen, die mit Neulack und Abziehbildern wieder auf „wie neu“ getrimmt wurden.

 

Auch diese 98 Jahre alte Maschine darf nach langem Stillstand wieder die ein oder andere Naht ziehen. Ich habe an ihr herausgefunden, dass man auch ohne Rückwärtsgang „verriegeln“ kann. Man näht ca. 5 Stiche mit dem Handrad, hebt den Nähfuß mit dem Daumen der linken Hand etwas an, gerade so dass die Fadenspannung nicht ausgelöst wird, der Stoff aber frei wird, und schiebt den Stoff mit dem kleinen Finger der linken Hand schrittweise nach Einzelstichen mit der rechten Hand am Handrad ausgeführt, wieder zurück zum Anfang. Am Handrad immer im Gegenuhrzeigersinn nach vorne drehen. Rückwärtsdrehen ,wie es jemand auf der Tretmaschine gemacht haben will, geht natürlich nicht! Der Greifer zieht dann den Unterfaden nicht ein, es gibt aber Fadensalat. Anschließend kann man wieder normal losnähen. Am Nahtende wiederholt man die Prozedur. Mit Motor geht es mit Übung auch, wenn er feinfülig zu regeln ist. Es ist wie beim Sticken oder Stopfen. Dann kann man beide Hände am Stoffdrückerhebel und dem Stoff einsetzen. Mit einer Tretmaschine wäre es überhaupt kein Problem.

 

Ich weiss nicht ob das früher so üblich war, aber es funktioniert mit etwas Geschick. Die Nähprofis hatten da sicher ihre Tricks. Man konnte viel mehr mit den einfachen Altertümchen, als man ihnen heute geringschätzig absprechen will. Vor allem war es langlebige und damit nachhaltige, ressourcenschonende Technik. Warum bauen sie die Chinesen heute noch nach, mit Erfolg im asiatischen und afrikanischen Markt? Diese Technik wird wohl noch viele Generationen überleben.

 

Ich bin kein Nostalgiker, nur wer die Ursprünge der Technik kennt, wird wirklich neues entwickeln können. Und das nicht um jeden Preis. Nicht alles muss digitalisiert und prozessorgesteuert werden. Nähen mit der sensorenbestückten 3D-Brille wie in Computerspielen? Gibt es bestimmt bald.

 

Vielleicht gibt es bald auch nur noch virtuelle Kleider – da gab es doch mal ein Kindermärchen …

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Geschrieben

Lieber HAD,

 

nach meinen (bisherigen) Erkenntnissen (Hochrechnung) stammt Deine Maschine, die Du wunderbar dokumentiert hast, etwa aus dem Jahr 1923

( Datierung von Singer-Maschinen aus Wittenberge - bitte um Eure Mithilfe - Hobbyschneiderin 24 - Forum ).

Ich besitze (augenscheinlich) das gleiche Modell, laut Originalbetriebsanleitung eine 15D26 (etwa 1940). Bei meiner Maschine ist allerdings das Spulenwicklerzahnrad (offenbar kriegsbedingt) aus einem schwarzen Kunststoff gefertigt.

 

lieben Gruß, Helmut

Geschrieben

Danke Helmut,

 

für den Hinweis. Ich hab es nochmal kontrolliert.

Die 6 als zweite Ziffer der Seriennummer sieht auf meinem Foto wie eine 8 aus, das ist ein Reflex vom Blitzlicht. Dann wäre es aber 1919 gewesen,

Die tatsächliche Nummer C 1 604 583 kommt nur in der Liste vom Veritasklub vor und dort ist das Produktionsjahr 1917 zugeordnet, ich würde es sogar auf das 1. Halbjahr eingrenzen, da kriegsbedingt die Produktion wegen Materialmangels und Rüstungsaufträgen im Laufe des Jahres eher zurückging:

Seite 03 Machine Numbers

 

Alle Unterlagen aus Wittenberge waren 1945 ja als Reparationsleistung in die UDSSR gegangen. Irgend jemand der alten Singer Mitarbeiter muss aber wohl einen Durchschlag gerettet haben, ich glaube nicht, dass die Liste von den sehr engagierten Mitgliedern erfunden ist.

 

Gruß Harald

Geschrieben

Lieber Harald,

 

ich besitze u.a folgende Singer-Maschinen aus Wittenberge:

 

15-88 SN C2992048 laut Veritasclub 1926 laut ISMACS hergestellt ab 1933

206 SN C3037782 laut Veritasclub 1927 laut ISMACS hergestellt ab 1937

201 SN C3064575 laut Veritasclub 1927 laut ISMACS hergestellt ab 1934/35

 

Quellen:

Seite 03 Machine Numbers

Comprehensive Singer Sewing Machine Model List Classes 1-99

Comprehensive Singer Sewing Machine Model List Classes 200-299

 

weiters verfüge ich über folgende gesicherte Daten:

 

66 portabel elektr. SN C2440062 laut Veritasclub 1923 Rechnung: 18.09.1930

15D26 SN C3407591 laut Veritasclub 1929 Rechnung: 08.09.1938

 

Selbstverständlich räume ich gerne ein, daß sich die in meinem Thread

Datierung von Singer-Maschinen aus Wittenberge - bitte um Eure Mithilfe - Hobbyschneiderin 24 - Forum

dargelegte Hypothese noch im Anfangsstadium befindet. Genau deshalb habe ich um die Mithilfe der Forumsmitglieder gebeten, um sie entweder durch entsprechende Belege zu untermauern oder auch zu falsifizieren.

 

Sollte letzteres der Fall sein, bin ich gerne bereit, meine Meinung zu revidieren und das auch hier in diesem Forum öffentlich kundzutun.

Keinesfalls möchte ich das Engagement der Veritasclub-Mitarbeiter in Frage stellen. Ich kann auch nur spekulieren, wie sie zu den, meiner Meinung nach falschen, Daten gekommen sind. Möglicherweise sind sie bei ihren Hochrechnungen von geschönten Daten der nationalsozialistischen Propagandamaschinerie ausgegangen.

 

Ich warte gespannt auf eine schlüssige Widerlegung meiner These, bis dahin vertraue ich auf das Datenmaterial und die Expertise der (sicher ebenso engagierten) ISMACS - Leute.

 

 

lieben Gruß und viel Freude mit Deiner Maschine, egal wie alt sie wirklich ist.

 

Helmut

Geschrieben

Hallo Helmut,

 

im Interesse der Forenleser schlage ich die Frage der Datierung in Deinem o. g. neuen Thema weiter zu behandeln, sonst wird es irgendwie unübersichtlich. Mit meiner Singer 15 hat es ja nur am Rand zu tun.

 

Gruß Harald

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