Inzwischen schwimmen die Schnitte wieder etwas schneller über den großen Teich, so dass die Frühlingsschnitte von Vogue auch zur passenden Jahreszeit (und sogar vor erscheinen der Vogue-Sommerkollektion) angekommen waren. (Bis wir bzw. unsere jeweilige Testerin es bearbeitet haben, dauert dann allerdings immer noch etwas.)
Was mir ja seit einigen Saisons bei den amerikanischen Schnitten auffällt, ist eine Tendenz zu bauchfreien Modellen. Zumindest ein bisschen.
Ich gebe zu, dass mir nach wie vor nicht recht einfällt, wie man das im Alltag tragen könnte. Am Strand oder auf der Strandpromenade: Klar. Beim Feiern in der Disko oder so: Auch. Stadtbummel? Warum nicht.
Aber so im beruflichen Alltag?
Deswegen fasziniert mich das Mantelkleid V1936 so. Eine sehr konservative Kleidform, die man eigentlich eher in den Businessbereich verorten würde. Und dann mit nackter Haut. Sieht enorm sexy aus. Aber würde man das in den USA ins Büro tragen? (Für eine Vernissage sähe es aber gut aus. Und ich gebe zu, es war bei mir in der engeren Auswahl für eine standesamtliche Trauung.)
Deutlich stärker in die Freizeit orientiert ist Corsagenoberteil V1938 mit Ärmeln. Theater, Konzert... und doch etwas eleganter als eine Corsage mit nackten Schultern.
Gaanz dezent bauchfrei ist die sonst weite Bluse V1939. Mit einer sehr hoch geschittenen Hose sogar gar nicht mehr. (Und es gibt die Bluse auch in einer längeren Variante, da ist es dann auch eindeutig Bauch bedeckt.)
Auch die V1944 bietet beide Optionen: kurze Bluse mit Bindebändern an der Taille (und ggf noch am Rock) oder eine etwas länger Bluse über dem bauchfreien Top. Sieht alles toll aus, ich wüßte aber nicht, zu welchen Gelegenheit anziehen? (Die Schaufenster in Paris gehen an dem bauchfreitrend allerdings auch nicht vorbei.)
Ähnlich geht es mir mit dem Hosenanzug V1943. Die Jacke als Corsage, die so schulterfrei bleibt, dazu eine doppelreihige (korrekte) Knöpfung und eine Hose mit Schlag. Absolut Couture-würdig, dieser Kontrast aus "korrekt" und sexy, auch ohne Zweifel elegant. Ich weiß nur gerade nicht, für welches Leben. Aber man sollte es mal gesehen haben. (Okay, auch das war in der Auswahl für bereits genannte Hochzeit.)
Aber es geht auch ganz anders. Bei V1933 wird die Hemdbluse zum Kleid. Aber nicht zum Hemdblusenkleid. Und die lange Variante mit den geknöpften Ärmeln ist überraschend elegant.
V1937 gibt es als Kleid oder Tunika, in der technischen Zeichnung ist auch hier die Abstammung vom Hemd gut erkennbar. Getragen sieht man das den Sandra Betzina Modellen dann aber nicht mehr so deutlich an.
Deutlich bedeckter trägt man auch das langärmelige Kleid V1934. Wobei das auch ein gutes Beispiel ist, was Details und Stoffwahl ausmachen. Ich würde sagen, das Kleid ist doch etwas Vintage-Inspiriert und die länger, einfarbige Version ist zwar elegant, aber auch recht brav. Vorsichtig formuliert. Kürzer und mit reichlich Blumen auf dem Stoff wirkt es dann ganz anders.
(Wer sich an der Stelle jetzt die Frage stellt, welche Hosen die Frau aus Sicht von Vogue dieses Frühjahr trägt: Tendenziell keine. Die Schlaghose vom gezeigten Hosenanzug ist die einzige. Abgesehen von den Sportleggings V1945. Zumindest aus meiner Sicht sind das Sportklamotten, auch wenn Vogue sie einmal mit High Heels stylt.)
Nachgenäht: Kleid V1935 (Júlio César)
Für nicht so eng und vor allem bauchbedeckt hat sich auch unsere Testerin froggy entschieden. Und nach Erhalt des Schnittes dann gleich mal festgestellt, dass dieses Kleid unglaublich viel Stoff verbraucht. Dem Rock sieht man schon an, dass er weit ist, aber wie weit... Wobei ich vermuten würde, der Schrägschnitt aller Teile, um das Streifenmuster so zu manipulieren dürfte auch einiges an Stoff benötigen.
Aber der Musterverlauf macht natürlich auch viel vom Reiz des Kleides aus. Oben schmal, ohne eng zu sein, unten ein frecher, zipfliger Rock, der viel Weite hat und trotz der Zipfel ein elegantes Kleid ergibt.
Gewünscht hat unsere Testerin sich Größe 10 oder 12, da die beide im gleichen Umschlag sind, war das kein Problem. Eine Variante für "petit" ist allerdings nicht dabei.
Geworden ist es am Ende Größe 10. Wobei es bei der Auswahl der Größe am Ende keine Probleme gab, Oberweite und Taillenweite genügten.
Die Schnittanpassungen erfolgten nach Erfahrungswerten:
"Auf meine Körperlänge angepasst, also das Oberteil ein wenig kürzer gemacht und das Rockteil dann deutlich kürzer."
Leichte Irritation gab es hingegen bei der Stoffmenge:
"... es fehlt aber eine Einheit zur Angabe der benötigten Stofflängen an der französischen Angabe, in dem Fall wäre die Angabe „Meter“ wichtig gewesen, da 8 Meter doch irgendwie aus dem Rahmen fallen und man mit puren Zahlen etwas irritiert ist. Die Yard-angabe hatte glücklicherweise die entsprechenden Hochkommas…"
Nachdem klar war, dass der Rock sehr viel Stoff verbrauchen würde (was man auf dem Bild unten mit dem flauschigen Stoffbewschwerer auch gut erkennen kann), hat sich froggy nach einem leichten Stoff umgesehen, suchte einen Baumwoll-Voile oder Batist. Um festzustellen, dass die Auswahl da überraschend klein ist. Aber sie fand einen Baumwollbatist mit einem schönen Druck.
Der Schnittmusterbogen erzeugt nicht nur Freude:
"Leider immer noch keine Verbesserung, das Papier ist unglaublich dünn, dummerweise hatte sich diesmal auch der Druck der Linien von einer auf die nächste Seite durchgedrückt, so dass es teils schwierig war, zu entscheiden, was denn nun die richtige Schnittmusterlinie ist. Das Seidenpapier war insgesamt diesmal so verkrumpelt, dass ich das Schnittmuster erst einmal gebügelt habe und so auf manchen großen Schnittmusterteilen bis zu 3 cm Länge dazu bekommen habe."
(Das ist leider der Eindruck, denn die letzten beiden Designer-Schnitte, die ich von Vogue hatte, auch hinterlassen haben.)
Mit den Verarbeitungsschritten war unsere Testerin zufrieden, die Übersetzung der Anleitung konnte nicht ganz überzeugen:
"Die Anleitung war auf Englisch und Französisch verfasst, außerdem waren 2 winzig bedruckte DIN-A4-Seiten mit deutscher Übersetzung beigelegt. Leider war die deutsche Übersetzung so schlecht, dass ich es nach kurzer Zeit aufgegeben habe und die englische Anleitung verwendet habe. Bei einem doch eher hochpreisigen Schnitt hätte ich deutlich mehr erwartet, zumal der Druck auch schon eher schlecht war. Die Anleitung an sich hat es wieder mehr als wett gemacht, sie war sehr gut, jeder wichtige Verarbeitungsschritt war enthalten und auch so beschrieben, dass es verständlich war, fast alles war sehr sinnvoll bebildert. Das hat mir sehr gefallen, der Schnitt war doch etwas komplizierter und es war manchmal nicht einfach zu erkennen, wie die Schnittteile zueinander gehören.
Der Aufbau war gut erkennbar, es gab eine Unterteilung in Schnittübersicht, Auflageplan, Zuschnitt und die eigentliche Anleitung."
(Da hatte ich mit meinen letzten Schnittmustern von Vogue deutlich mehr Glück. Obwohl ich wegen der Druckgröße am Ende doch meist mit der Originalversion arbeite.)
Als sich froggy für den Schnitt entschieden hat, hat sie sich gewünscht:
"Ich war auf der Suche nach einem ausgefallenen Sommerkleid, dass man auch zum Tanzen anziehen kann. Da passt dieses Design hervorragend. Im Original finde ich vor allem das Spiel mit der wechselnden Ausrichtung der Streifen reizvoll, leider habe ich keinen passenden Streifenstoff gefunden."
Wovon sie am Ende etwas überrascht war, war das Gewicht des Kleides, trotz des leichten Stoffs.
Die Anleitung hat sie offensichtlich vor dem Nähen sorgfältig gelesen, denn ihr ist rechtzeitig aufgefallen, dass die Verarbeitung wenig änderungsfreudlich ist. Deswegen hat sie bis zur Anprobe noch eine Seitennaht offen gelassen:
"Die Verarbeitungsschritte waren so angelegt, dass es gar keine Möglichkeit gegeben hätte, die Rocklänge zu ändern, wenn das Kleid in einem anprobierfähigen Zustand gewesen wäre, daher habe ich eine Seitennaht offengelassen, um doch noch an die Futter-Oberstoffnaht zu kommen."
Ein Kleid zum Tanzen war gesucht und die Erwartungen wurden erfüllt. Das Kleid fiel auch weitgehend so aus, wie nach der Anleitung und Bild zu erwarten.
"Im Prinzip ja, vor allem die obere Hälfte, aber das Rockteil ist wesentlich länger ausgefallen, sogar nach Kürzen von ca. 6 cm ist es immer noch deutlich länger als abgebildet. Leider lässt es sich schlecht ändern, da das Futter und der Oberstoff auch an der Unterkante miteinander vernäht sind."
Am Ende steht klar eine Empfehlung:
"Der Schnitt ist sehr empfehlenswert für Hobbyschneiderinnen, die die Herausforderung lieben und auch nicht vor großen Stoffmengen zurückschrecken."
Eine weitere Auflage ist sogar möglich:
"Mal sehen, meine Tochter beäugt das Kleid schon so neugierig und es steht ihr auch sehr gut :-)"
Und ein positives Fazit (mit ein paar Tips, was man noch besser machen könnte):
"Der Schnitt war aus der Kategorie anspruchsvoll, was in diesem Fall nicht nur die Verarbeitung, sondern vor allem das Handling der Stoffmassen betraf, insgesamt habe ich tatsächlich 8 m Oberstoff verbraucht. Es war gar nicht einfach, bei den vielen Teilen, aus denen der Rock bestand, nicht den Überblick zu verlieren. Die Verarbeitung war sehr kreativ und so gut beschrieben, dass es perfekt zum Ergebnis führte. Ein Probeteil hätte ich allerdings machen sollen, da das Oberteil mit dem Futter komplett verstürzt ist und man nachträglich bestenfalls noch Änderungen in der Länge machen kann. Ohne Futter wäre es problemlos möglich, an gewissen Teilungsnähten Änderungen vor zu nehmen. Es ist auch schwierig, die Länge des Rocks nachträglich zu ändern, weil das Futter an der Unterkante mit dem Oberstoff vernäht ist, um den leichten Balloneffekt zu erzeugen. Durch die teils ungewöhnlichen Verarbeitungsschritte hat es sehr viel Spaß gemacht, das Kleid zu nähen. Am Wochenende wird es zum ersten Mal ausgeführt."
Wir danken der Firma Cremer KG aus Euskirchen (Generalvertrieb für McCall's (Butterick, McCall's, Vogue) in Deutschland), für den zur Verfügung gestellten Schnitt.
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