
Wenn ich mir die Frühlingskollektion bei Vogue dieses Jahr so anschaue, hat man die Wahl zwischen strukturierter, beinahe architektonischer Kleidung und lässiger Verspieltheit. Das ganze wird dadurch betont, dass die einen Modelle bevorzugt aus einfarbigen Stoffen gezeigt werden, die andere gerne gemustert sein dürften. So ist es zwar schwer, eine Modelinie abzuleiten, an der man sich orientieren kann. Aber es ist für jeden Geschmack etwas dabei.

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Ein elegantes Beispiel für die klare Linie ist die Kombination V1869 von Ton and Lind Platt. Damit sind auch Frauen, die sich in Hosen einfach wohler fühlen für eine elegante Feier passend gekleidet. Gleichzeitig hat die Tunika eine sehr extravagante Saumlinie. Durch die Prinzessnähte lässt sich der Schnitt gut an die Figur anpassen und ich würde sagen, mit kleineren Änderungen an den Proportionen dürfte der wirklich sehr vielen Frauen stehen.
Genauso klare Linien mit einer hat der Hosenanzug V1870. Ein korrekter Blazer und eine Schlaghose, die ein modisches Statement setzt.
Doch auch die Kleidträgerinnen wurden nicht vergessen. V1858 (auch wieder von Tom and Linda Platt) verpasst einem figurbetonten und sonst schlichten Etuikleid einen absoluten Hingucker-Ausschnitt. Das ist ein Schnitt, der für mich zum Spielen einläd. Denn einfarbig oder mit weniger Kontrast zwischen den Stoffen ist das alltagstauglich. Und wer es verspielt mag, kombiniert vielleicht zwei unterschiedlich gemusterte Stoffe in den gleichen Farben oder aus der gleichen Serie...
Extrem gut gefällt mir auch, wie Sandra Betzina bei der Kobination V1868 mit Formen und Strukturen spielt. Die Falten nur vorne in die Hose einzuarbeiten ist genial, so wirkt es von vorne beinahe wie ein Rock (vor allem die kürzere Variante) von hinten bleibt die Hose über Po und Hüften schmal. Das kurze, weite Oberteil mit Kimono-Anklängen betont den Stil. (Was mich aktuell davon abhält den Schnitt zu nähen ist, dass ich nicht recht weiß, ob ich die Falten nach jedem Waschen wieder einbügeln wollte. Andererseits gibt es in Köln ja noch eine Plissieranstalt. Hm...)
Wer lieber nur die vorhandene Garderobe mit einem neuen Einzelstück aufpeppen will, schaut sich V1875 an. Schößchen, einen gerafften Oberärmel und auf den zweiten Blick auch noch eine interessante Nahtführung im Vorderteil. Da wird einem beim Nähen nicht langweilig.

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Auf der locker verspielten Seite der Trends steht der Wickelrock V1872 mit dem zipfeligen Saum. Gerade die Streifen verhindern, dass es zu romantisch wirkt. (Ginge aber sicher auch aus Blümchenstoffen, wenn man das lieber mag.)
Lässig auch das Trägerkleid V1860 von Marcy Tilton. Natürlich kann man den Schnitt auch als ärmelloses Kleid im Sommer tragen. Aber da es auch einen Shirt-Schnitt dazu gibt, ist das wohl zusammen gedacht. (Hat man das wieder? Habe ich einen Trend verpasst?? ) Doch das Kleid ist mit seinen asymmetrischen Falten und dem kreativen Spiel der Stoffe mit den vielen Teilungsnähten im Rockteil auch für sich genommen einen zweiten Blick wert. Das ist gar nicht so schlicht, wie es auf den ersten Blick aussieht...
Wenn es dann aber doch richtig romantisch werden soll, dann ist V1862 eine gute Wahl. Viele Raffungen, Puffärmel und ein schwingender Rock. Kleine Pünktchen oder Blümchen unterstreichen das dezente Vintage-Feeling. Schnitttechnisch interessant finde ich, wie das Kleid über Taille und Hüfte einen glatten Einsatz hat, was sicher für viele Figuren schmeichelnd ist. (Alleine um das zu erforschen, würde ich das Kleid gerne nachnähen...)
Wem das noch nicht Vintage genug ist, der kann auch bei den "echten" Vintage Schnitten zugreifen. Vogue schöpft ja gerne aus dem eigenen Fundus und legt alte Schnitte wieder auf. Die dreiteilige Kombinaten V1863 ist ein Beispiel dafür, dass solche Modelle oft eine zeitlose Eleganz haben. Eine Jacke mit einem schwungvollen Kragen, ein schwingender Rock... Was ich nur vermisst sind Fotos vom genähten Modell. Aber hier werden offensichtlich wirklich nur die alten Schnitte nachgedruckt, wie das in Wirklichkeit am Körper aussieht findet man erst raus, wenn man es genäht hat.
Oder man wartet, bis es jemand anderes genäht hat...

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Nachgenäht V1864
Denn unsere Testerin lanora hat sich an das Vintagekleid V1864 herangewagt. Ein schmales und ärmelloses Oberteil und ein weit schwingender Rock, Vogue selber datiert den Schnitt auf etwa 1953.
Was mich dann erst mal überrascht hat, war die Einordnung als Wickelkleid. Fehlt doch auf den ersten Blick der Wickeleffekt über der Brust, den ich damit verbinde.
Der Blick auf die Schnittzeichung verblüfft mich dann noch mehr... das sieht auf den ersten Blick wie eine... Schürze aus?
Nun... für mich wird das mehr geklappt, als gewickelt. aber natürlich überlappt das Vorderteil das Rückenteil. Interessanter Ansatz, der ist wohl in der Mode ziemlich in Vergessenheit geraten.
Interessant an dem Schnitt ist auch, dass verschiedene Cupgrößen vorgegeben werden.
Allerdings hat unsere Testerin schnell festgestellt, dass das nur begrenzt weiter hilft, weil in der Maßtabelle nur ein Brustumfang angegeben ist. Welcher Cup Größe er entspricht steht nicht dabei und auch nicht von welchen Veränderungen ausgegangen wird. Zumindest eine Unterbrustweite hätte sie hilfreich gefunden. (Was ich nur bestätigen kann, ich habe auch schon Schnitte mit verschiedenen Cupgrößen genäht und man kann dann nur raten, dass die Maßtabelle sich wohl wie meistens auf ein B-Cup bezieht und dann die eigene Oberweite runterrechnen. Und hoffen, dass man mit dem richtigen Faktor rechnet.) Unsere Testerin hat von ihrer BH-Größe ausgehend einen D-Cup gewählt. Sonst hat sie sich am Taillenmaß orientiert und sich für Größe 20 entschieden.

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Danach musste sie erst Mal viel am Schnitt ändern:
"Die Brustabnäher musste ich anpassen (obwohl ich das Vorderteil in Cup-D nach meiner BH-Größe gewählt habe), mußte ich die Abnäher um einiges enger und länger nähen (...) im Original waren sie trotzdem viel zu unförmig und hörten an der falschen Stelle auf. Hinten die Rückenabnäher habe ich weggelassen, es wäre sonst in der Taille noch enger geworden. Vorne war es vom Rückenteil her zu kurz , ich musste ein Zwischenstück einsetzen um das Rückenteil spannungsfrei vor dem Bauch zu verschließen Die Taillennaht habe ich 2cm nach oben versetzt."
Einfacher war die Stoffwahl. Da es ein Sommerkleid werden sollte, fand lanora einen gemusterten Leinenstoff in ihrem Vorrat.
Was sie interessant gefunden hatte war, dass das Kleid einfach zu nähen aussah. Und das war es auch. Die Anleitung dazu bot keine Probleme:
"Die Anleitung ist einfach und verständlich erklärt. Kleid A , zweifarbig, für selbst zugeschnittenes Schrägband; Kleid B , einfarbig, mit fertigem Schrägband. Versäuberungsschritte (z.B. an den Schulternähten, Taschen, Taillennaht, Rocknähten) werden nicht erwähnt."

Bild: lanora
Aus Sicht unserer Testerin waren die Verarbeitungsschritte auch angemessen. Ob Versäubern und Bügeln erwähnt werden sollte, da scheiden sich bekanntermaßen die Geister. Hier geht man davon aus, dass jede Näherin selber weiß, wann sie das tun möchte.
Schnell zu nähen war das Kleid auch, aber das Ergebnis hatte sich lanora etwas anders vorgestellt:
"Ich würde diese Art Kleid als Kittelkleid oder Hauskleid bezeichnen. Die Modellfotos sind allerdings sehr idealisiert."
Auch die Passform des Oberteils konnte in der Praxis nicht ganz überzeugen:
"Die an den Seiten überlappenden Vorder- und Hinterteile klaffen bei Bewegung auseinander. Man sollte zwingend ein Unterkleid oder Top drunter ziehen wenn man nicht möchte das der BH zu sehen ist . Ich wollte erst einen Druckknopf dort anbringen, aber dann sitzt es nicht mehr gut."
Trotzdem gibt es eine Empfehlung, denn das Kleid ist schnell genäht. (Und die Passform ist ja immer individuell.):
"Ja, für fortgeschrittene Anfänger geeignet. Grundkenntnisse des Nähens sollten vorhanden sein.
Man sollte wissen wie man kleine Anpassungen vornimmt."
Fazit:
"Ein schnell genähtes (Kittel-) Kleid das sicher ideal für den Garten oder Strand ist 😉 . Für die Geburtstagsparty oder den Stadteinkauf ist es eher nichts, da es an der Seite doch einige Einblicke gewährt…..."
Und eine gute Idee für den Schnitt hat lanora zusätzlich: Aus Frottee bestimmt ein schönes Strandkleid, denn es ist nicht nur schnell genäht, sondern auch schnell übergezogen.

Bild: lanora
Wir danken der Firma Cremer KG aus Euskirchen (Generalvertrieb für McCall's (Butterick, McCall's, Vogue) in Deutschland), für den zur Verfügung gestellten Schnitt.
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