
Wenn ich mir die Schnitte so in der Übersicht ansehe, versuche ich ja immer zu sehen, ob mir so was wie ein "Thema" oder ein Trend ins Auge springt. Bei den Herbstschnitten von McCalls war das diesmal "Weiblichkeit". Und als zweites "Vintage". Also... eher modernes Vintage. Aus Zeiten, an die ich mich noch erinnern kann.
Und was gibt es weiblicheres als Kleider?
Da erlaube ich mir diesmal, den Reigen mit einem Modell zu beginnen, das auf den ersten Blick mein absolutes Lieblingsmodell aus dieser Kollektion darstellt. M8528 bietet klassische Elemente, Details (wie die große Tasche) die das wieder aufbrechen, einen interessante Taillenlösung und viele Optionen, den Schnitt völlig unterschiedlich zu interpretieren.
Was auch die gezeigten Modellvorschläge schon anbieten. Aber da geht sicher noch mehr. (Wobei mir die graue Variante B ja schon sehr gut gefällt und ich hätte sogar einen grauen Wollstoff übrig. Aber ich bleibe vernünftig, denn mein Zeitbudget gibt das diesen Winter nicht her. Und vermutlich auch den nächsten nicht. Und bis dahin habe ich sicher eh einen neuen aktuellen Lieblingsschnitt gefunden...)
Schneller zu nähen ist vermutlich das Etuikleid M8529. Das mit verschiedenen Ärmel- und Taschenvarianten auch Variationsmöglichkeiten bietet. Und durch wenige Nähte und Abnäher auch dickere Stoffe oder welche mit auffälligem Muster gut zur Geltung bringt.
Top M8530 ist gerade in der Variante mit Spitze für die, die es gerne verspielter mögen. Der tiefe V-Ausschnitt und die Raffung unter dem Brustteil kommt aber auch ohne Spitze in einer schlichteren Version gut zur Geltung.
Aber es geht ganz klar auch für Hosenträgerinnen.
Overall (wenn man ihn so nennen kann) M8534 ist zwar nicht wirklich alltagstauglich, aber ein absoluter Hingucker für die Partysaison. (Oder wann auch immer mal die Blicke auf sich ziehen will.) Und zumindest für mich hat es absolut den 1970er Disco Vibe.
Wer nur den Hosenlook mit Schlag (und tiefem Sitz auf der Hüfte) mag und den im Alltag tragen will, für den ist M8531 einen Blick wert. Die Variante mit den kleinen Cargotaschen auf dem Oberschenkel verrät allerdings deutlich, dass der Schnitt aktuell ist.
Wer noch ein bisschen weiter in die Vergangenheit zurück will (so 1940er) und einen romantischeren Look mag, den wird M8525 von Brandi Joan gefallen. Ein tailliertes Kleid, mit süßen kleinen Knöpfen durchgeknöpft, Fältchen am Ärmel und den Schultern, ein schmucker, weißer Kragen. Nur nicht gerade für den deutschen Winter geeignet, aber wer langsam näht, mag das vielleicht schon für das Frühjahr.
Worum ich die Amerikanerinnen in den späten 1980ern (als ich die Schnitte das erste Mal für mich entdeckte) waren die romantischen Laura Ashley Modelle. Die wurden gar nicht nach Europa verkauft. Beim Revivial sind sie jetzt aber (zumindest nach den mir vorliegenden Unterlagen) dabei. M8539 ist ein romantisches Kleid mit betonter Taille und großen Matrosenkragen. Wenn ich noch die Taille von damals hätte... M8540 ist ein Zweiteiler, hier betont der Sattel des Rockes die Taille und die Matrosenbluse mit den üppigen Ärmeln verrät auch hier klar die 1980er.
Nachgenäht M8542
Lust auf Vintage hatte auch unsere Testerin lulu.
Sie hat sich für eine Kombination aus den 1970ern entschieden. M8542 kombiniert die Jacke je nach Wunsch mit einer weiten Hose oder einem üppigen Rock, der in unterschiedlichen Längen genäht werden kann. Die Jacke ist gerade und kastig, kann aber nach Wunsch mit einem Bindegürtel auf Figur gebracht werden.
Und genau der 70er Vibe hatte auch unsere Testerin begeistert. Zurück in die eigene Vergangenheit:
Die Originaldetails aus den 70ern sind toll, der spitze Kragen, die eingehaltenen Ärmel und der weit ausgestellte Rock sind genauso, wie ich es aus meiner Jugend kenne.
Das brachte allerdings ein technischen Problem mit der deutschen Anleitung mit sich:
Die verkleinerte deutsche Anleitung ist teilweise auch mit Brille nur schwer zu erkennen, ich habe deshalb mit der englischen Anleitung gearbeitet.
(Fällt mir auch immer wieder auf. Die Schriftgröße der deutschen Anleitung ist ab beginnender Altersweitsichtigkeit schwierig. Und für den einen oder anderen vielleicht auch schon vorher.)
Vermisst habe ich die Größenangaben zur Körpergröße, Armlänge, Beinlänge. (Als allgemeine Angabe bei McCalls habe ich 157 bis 168 cm als übliche Körpergröße gefunden.)
Keine Angabe zu unterschiedlichem Stoffverbrauch bei Verwendung von Stoff mit oder ohne Musterverlauf/Strichrichtung
Erhältlich ist der Schnitt in den Größen 6-16 (in den 1970ern war man offensichtlich noch nicht so größeinklusiv wie heute) und unsere Testerin hat sich für Größe 16 entschieden. Dabei hätten die Angaben beim Schnitt etwas ausführlicher sein dürfen:
Aber dank eigener Näherfahrung konnte Sie sich für eine Größe entscheiden:
Ich habe Größe 16 gewählt, dort passte die Oberweite genau, meine Taille ist 3 cm breiter , meine Hüfte 7 cm schmäler als in der Maßtabelle. Für den Rock habe ich deshalb ein Probestück angefertigt, um das Schnittmuster an meine Maße anzupassen.
Wobei das Ergebnis in der Passform nicht ganz den Erwartungen entsprach:
Beim Rock definitiv nicht. Obwohl ich eine breitere Taille habe musste ich den Rock an der Taille ca. 3 cm enger nähen, Die Hüftweite habe ich gelassen, weil ich diesen Bereich gerne bequem habe und er dort mit den Originalmaßen gut sitzt. Frauen mit ausgeprägter Hüfte könnten hier Probleme bekommen.
Die Maße für die Jacke passten gut im Brustumfang und in der Schulterweite. Insgesamt habe ich sie etwas gekürzt, was mit dem aufgezeichneten System zur Größenveränderung gut funktionierte.
Beim Stoff lässt der Schnitt viele Freiheiten und unsere Testerin hatte ihre Wunschkombi schon im Kopf, bevor sie den Schnitt hatte:
Mein Hauptstoff ist ein weicher Baumwoll-Breitcordstoff, die Belege, der Gürtel und die aufgesetzten Taschen sind aus einem afrikanischen Waxprint
Schnittmusterbogen ist ja immer auch in Stück Geschmackssache, lulu fand diesmal Gefallen dran:
Die Schnittmusterbögen haben mich positiv überrascht. Sie sind stabil genug (im Gegensatz zu vielen anderen) und so gefaltet, dass es nicht zu viele gekrumpelte Stellen gibt. Der Druck ist gut lesbar und eindeutig den Größen zuzuordnen. Einige Teile sind mehrfach vorhanden, weil die unterschiedlichen Größen jeweils ein eigenes Schnittteil haben. Da war ich am Anfang etwas irritiert, es hat aber zur Lesbarkeit des Schnittmusters beigetragen.
Bei der Verarbeitung ist unsere Testerin letztlich an der Schriftgröße gescheitert und hat sich daher für die Englische Anleitung entschieden. Diese wird grundsätzlich als angemessen bewertet, trotzdem hat sie sich für etliche Änderungen entschieden:
Die Anleitung für die Jacke ist sehr detailliert und gut verständlich. Ich habe sie allerdings an mehreren Stellen abgewandelt.
Zunächst habe ich alle später sichtbaren Kanten mit der Overlock versäubert, da der Cordstoff extrem ausfranzt. Die Verbindung von Vorder-/Rückenteil und Passen der Jacke habe ich mit der Overlock zusammengenäht und abgesteppt.
Beim Rock habe ich zuerst den verdeckten Reißverschluss eingearbeitet, weil ich dann nicht so viel Stoff unter der Maschine habe. Der Reißverschluss wird nicht im Bund mitgefasst, also funktioniert das ganz gut.
Da ich aufbügelbare Einlage auf den Belegen und den Bündchen verwendet habe, sind die Schritte entfallen, bei denen die Einlage eingenäht wird.
Die Ärmelschlitze habe ich auch geändert. Vorgesehen war ein Schlitz analog zu Hemdsärmelschlitzen mit Ober- und Untertritt. Das war für meinen doch relativ voluminösen Breitcord ungeeignet. Ich habe stattdessen einen verstürzten Schlitz mit Beleg aus dem Waxprint eingearbeitet.
Auch die Saumecke habe ich anders genäht. Dazu habe ich den Beleg in Saumlänge rechts auf rechts auf den Oberstoff genäht, also mit 3 cm Abstand zur unteren Schnittkante. Danach den Saum und den Beleg links auf links auf den Oberstoff gebügelt. Den überflüssigen Stoff in der Ecke habe ich vorher zurückgeschnitten.
Den Saum von Jacke und Rock habe ich nicht von Hand angenäht, sondern mit Saumfix angebracht. Das ergibt bei samtigen Stoffen oder Cordstoff einen perfekten Saum.
Damit ich die Jacke nicht immer auf einen Bügel hängen muss, habe ich zwischen Beleg und Kragen einen Aufhänger eingebaut.
Und statt Knopflöcher und Knöpfe in die Manschette einzuarbeiten, habe ich Jersey-Druckknöpfe verwendet. Da der Cord so leicht ausfranzt, war mir ein Verschluss, der den Stoff nicht verletzt, lieber. Da diese Druckknöpfe relativ klein sind, habe ich 2 pro Ärmel verwendet.
Mit ihrem Retro-Erlebnis ist unsere Testerin zufrieden, daher nicht überraschend, dass der Schnitt noch mal zum Einsatz kommen soll:
Ich werde den Schnitt garantiert nochmal mit einem leichten Leinenstoff für den Sommer nähen und auch die Hose ausprobieren. Da ich nicht sicher bin, ob die Hose es in meinen Alltagsbetrieb schaffen wird, werde ich sie erst mal als Faschingskostüm nähen. Dabei werde ich definitiv nochmal ein Musterteil zur Anpassung nähen. Hier muss ich auch die Längenanpassung genauer machen. Es gibt nämlich keine Markierung für den Kniebereich im Schnittmuster. (Aber es gibt nicht nur die Möglichkeit die Hose am Saum zu kürzen, sondern auch noch das gut funktionierende Größenänderungssystem im oberen Bereich der Hose)
Kleiner Tipp an Rande: Wer beim Musterstück von Rock oder Hose Stoff sparen will, sollte nur den oberen Bereich nähen und die ausgestellten Unterteile erst mal weglassen. Der Stoffverbrauch ist wirklich enorm.
Daher auch eine klare Empfehlung für alle, die den Style mögen (und schon mal einen Armkugel eingenäht haben, das wird nicht im Detail erklärt):
Den Jacken-Schnitt würde ich für alle empfehlen, die schon ein bisschen Erfahrung im Nähen von Jacken haben.
Der Rock ist relativ simpel zu nähen und sicher auch für Nähanfänger geeignet. (Dabei unbedingt die Schnittteile beschriften, das erleichtert das Zusammensetzten enorm.)
Bei der Armlänge musste ich zum ersten Mal nichts kürzen (sonst bei fast jedem Schnitt), für Menschen mit normallangen oder gar langen Armen muss hier sicher was zugegeben werden.
Und ein zufriedenes Fazit:
Der Schnitt ist mir schon in der Auswahl sofort ins Auge gesprungen und hat gehalten, was ich mir davon versprochen habe. Es ist ein schönes Set für graue Herbst- und Wintertage entstanden, das sich von der Masse abhebt. Nun noch einen Seventies-Sender im Radio anschalten, dann passt alles.
Wir danken der Firma Cremer KG aus Euskirchen (Generalvertrieb für McCall's (Butterick, McCall's, Vogue) in Deutschland), für den zur Verfügung gestellten Schnitt.
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