Ich muss gestehen, dass ich seit einiger Zeit nicht mehr dazu komme, für alle Kollektionen auch nur bei unseren Testerinnen anzufragen. Aber ich freue mich jedes Mal, wenn sich jemand traut und das war auch bei der letzten Butterick-Kollektion der Fall. Frühling, wenn ich nicht den Überblick verloren habe, aber letztlich... eher leichte Sachen für wärmeres bis warmes Wetter. Vielleicht auch schon Sommer.
Die Butterick Kollektionen sind ja eher leger und lässig, unkompliziert und lassen mehr als Freizeit als ans Büro denken.
Was man allerdings unter Freizeitkleidung versteht, hat sich über die Jahre gewandelt und wenn man die auch bei Butterick inzwischen gern (wieder) veröffentlichten Retro-Schnitte anschaut, wird doch deutlich, wie sehr sich unsere Vorstellungen gewandelt haben.
Die Kombination B6989 von 1950 hat mit dem, was wir uns unter Urlaubs- oder Freizeitmode vorstellen so gar nicht mehr viel zu tun. Kein lümmeln in Lycra oder Sweat. Stattdessen bring ein "Spielanzug" (heute Overall) die Figur zur Geltung und je nach Anlass kann ein Rock angeknöpft werde und ein Kragen kommt dazu und schon hat Frau ein Kleid für Strandpromenade oder Restaurantbesuch. Oder eine Jacke, wenn es abends kühler oder windig wird. (Und damit die Jacke auch gut sitzt, kann sie ebenfalls an der Hüfte eingeknöpft werden.
Bequemer als der Lycrabadeanzug mit dem obligatorischen Pareo (der dann zumindest an manchen Orten grade so ausreicht, um sich nicht vor dem Mittagessen wieder anziehen zu müssen) ist es vermutlich nicht. Aber es sieht um Klassen besser aus.
Doch auch die aktuellen Modelle bieten Optionen, sommerlich leicht und gleichzeitig lässig gekleidet zu sein. Kleid B6994 gibt es in lang oder kurz und je nach Stoff kann man damit ins klimaanlagenfreie Büro oder man wirft es im Urlaub kurz über den Bikini, wenn man Pool oder Strand verlässt.
Oder dürfen es etwas auffälligere Details sein? Da bietet sich die Kombination B7002 an. Abgesehen vom Faltenwurf am Oberärmel der Bluse sind Top, Hose und Rock ganz einfache Teile. Was einem besser gefällt, kann man selber entscheiden. - Da der Rock aufgesetzte Taschen hat, ist das schon mal kein Argument, das für eine Hose spricht. Und die Größenauswahl bis W28 lässt auch hier viele Möglichkeiten.
Großzügig mit Taschen bedacht ist auch Modell B6998. die Hose gibt es als Shorts oder lang. Locker am Bein, aber noch schmal an der Hüfte eine schöne Sommersilhouette. Hinten und an den Seiten bequem mit Gummi, vorne aber "ordentlich" mit Reißverschluss und Knopf. (Wenn man die eingehaltene Mehrweite an den Hosenteilen in kleine Abnäher fasst, könnte man dann genauso einen glatten Bund nähen, wenn man das lieber mag. Alles kein Hexenwerk. Aber ein Bund, der noch etwas Spiel hat ist auch nicht schlecht.)
Wer es auch bei der Hose dramatischer mag, nimmt B7000. Sehr weite Hosenbeine mit Wickeleffekt vorne. Sprich Schlitze am Hosenbein. Für eine Gummizughose sehr schick. Und auch hier wahlweise in kurz oder lang.
Für Weite in Röcken und Kleidern sieht Butterick ganz klar den Stufenrock.
Entweder als Rock mit Gummizug B6999 in lang oder lang oder als locker sitzendes Kleid B6993, das wahlweise mit zwei oder drei Stufen genäht werden kann und dementsprechend etwa knielang ist oder dem Maxitrend folgt. (Mit nur einer Stufe als Minikleid kann man es sich sicher auch nähen...)
Nachgenäht B6995
Auch unsere Testerin gabi die erste hat sich für die Kategorie "auffällige Details" entschieden.
Bei der Bluse B6995 handelt es sich um ein Katherine Tilton Modell, das schon auf den ersten Blick mit dem sehr weiten, eckigen Saum beeindruckt. Auf den zweiten Blick gibt es auch noch eine breite Knopfleiste, die aber nicht, wie bei einem so klassischen Detail vielleicht zu erwarten, in einen Hemdkragen mündet, sondern in ein Kragenband, das ein luftig, sommerliches Kleidungsstück daraus macht. Ein schönes Spiel mit den klassischen Hemdendetails und wahlweise mit langen Ärmeln oder ärmellos.
Ein anderes sehr praktisches Detail sieht man auf den Bildern hingegen nicht: Zumindest eine Version hat auch noch Taschen in der Seitennaht.
(Die Modellphotos mit den sehr unterschiedlichen Stoffen zeigen zudem sehr schön, welchen Einfluss die Stoffwahl auf das fertige Kleidungsstück hat, denn beide Varianten wirken vom Stil her sehr unterschiedlich.)
Die Form war es auch, die es unserer Testerin angetan hatte:
Meine eigenen Shirts nähe ich fast genauso, was die Silhouette betrifft. Nur sind meine Shirts viel kürzer. Letztens habe ich schon mal überlegt, wie es wäre, wenn ich einfach mal so ein Shirt verlängere. Jetzt habe ich direkt eine Anregung bekommen.
Besonders schön: auf diese Unterteilung im Rücken wäre ich wohl nicht so einfach gekommen und die Knopfleiste so zu betonen, ist nochmal ein schönes Extra.
Nur kleine Kritik hat sie:
Eigentlich gibt es wohl immer wenigstens eine Kleinigkeit, die nicht so paßt. Bei diesem Schnitt wäre es dieser flach liegende Kragen. So im ersten Testtragen könnte er aber so bleiben. Wobei ich die lange Version für die kühleren Tage wohl doch mit einem mehr stehenden Kragen nähen werde.
(...)
Die Knopfleiste hat nur Knöpfe auf der Vorderseite, keinen auf dem Kragen. Das erscheint mir merkwürdig unfertig, also hat der Kragen auch noch einen Knopf inkl Knopfloch bekommen. Offen lassen geht ja immer.
Wie wir sehen, Design ist immer Geschmackssache. 😉 Als Beobachter glaube ich, dass beides tatsächlich Absicht ist.
Der Schnittmusterbogen war diesmal besonders spannend:
Der Schnittmusterbogen - eine ewige Baustelle. Der Druck ist sehr gut zu erkennen und der Bogen ist nicht mehr so überdimensioniert groß, weil auf drei Bögen verteilt. Aber: meines Erachtens nach, hätte ein Bogen gespart werden können. Wozu muß denn die Knopfleiste in jeder Größe extra auf dem Bogen sein?
Die Schnittmusterbögen selber waren bisher noch halbwegs glatt angekommen. Diesmal mußte ich Tatsache im Forum recherchieren, wie das mit dem Bügeln eines Schnittmusters ging :). Das Bügeln dann hat super funktioniert und die Bögen waren schön glatt und vor allem nutzbar.
Markierungen bringt der Schnitt auch ganz viele mit. Sehr nützlich. Der Kragen allerdings hat eine merkwürdige Anordnung der Marken. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verbockt habe oder der Schnittersteller einfach ein paar Striche verteilt hat. Das wird beim nächsten Stück getestet.
Viel Freiheit lassen die Stoffempfehlungen. Aber noch was Anderes ausprobieren geht ja immer...
Dieser Schnitt kommt mit eine guten Bandbreite an Stoffen an. Von Chambray über Bw-Webware bis Leinen ist alles möglich. Wobei ich persönlich dazu neige, die nächste Tunika aus Jersey oder Sweat zu testen.
So war es nicht schwierig, einen passenden Stoff zu finden.:
Eigentlich gefällt mir der Stoff des Models so richtig richtig gut. Leider habe ich diesen Stoff nicht in meinen Vorräten. Und passende Stoffe habe ich zwar, leider nicht in der benötigten Menge (denn das die Mengenangabe sehr reichlich ausfällt, wußte ich noch nicht) Allerdings fällt es wirklich einfach, einen Stoff zu wählen, schon aufgrund der breiten Empfehlungsmöglichkeiten.
Der Schnitt kam einen Tag vor einer Fahrt zu einem tollen Werksfest bei mir an. In der Nähe des Werkes ist mein Lieblingsstoffhändler. Also war ein Besuch schon mal fest eingeplant. Da habe ich auch den Stoff gefunden. Eine leichte Bw-Webware mit Muster. Das Muster des Stoffes hat dann auch eher dazu geführt, etwas mehr Stoff zu verbrauchen - weil ich unbedingt, zumindest im Vorderteil, einen fortlaufenden Musterrapport haben wollte. Ich finde, daß habe ich auch gut hinbekommen (siehe Foto).
Mit der Anleitung kam unsere Testerin dann auch gut klar:
Ich glaube, ich näh schon ganz schön lange ;). Die Anleitung ist für mich klar aufgebaut, sie ist verständlich (nicht unbedingt die deutsche Übersetzung), mir ist nichts besonders aufgefallen und ich habe für mich auch nichts vermisst (weil ich die Grundlagen wohl doch ganz gut drauf habe).
Allerdings nicht unbedingt die deutsche Version...
Kleiner Exkurs in die Übersetzung der Anleitung:
Annähen des Vorderteilbesatzes, der hier zweigeteilt ist: Die Übersetzung besagt dann: ".. nähen Sie... durch alle Dicken und drehen Sie dabei an einem kleinen Punkt".
Und: "Auf der Außenseite ... Absteppen, quadrieren Sie dabei die Stiche an den Enden."
Die Anleitungsschritte konnten im Großen und Ganzen überzeugen, aber gabi die erste hat einige Punkte nach eigenem Geschmack geändert:
Die Taschen. Diese Art des Taschennähens finde ich für diese Tunika optisch nicht so ansprechend. Deshalb habe ich die einfache Art gewählt: Je einen Taschenbeutel auf Vorder- und Rückenteil genäht und die Seitennaht inkl Taschennaht genäht. Das ergibt zum Schluß eine verdeckte Ansicht des Tascheneingriffs. Mir gefällt das besser so.
Die Schnittkanten: Einfach so zwei Nähte reichen mir nicht, um die Kanten vor dem Ausfransen zu bewahren. Die zugeschnittenen Teile habe ich alle durch die Ovi gejagt.
Die Knopfleiste hat nur Knöpfe auf der Vorderseite, keinen auf dem Kragen. Das erscheint mir merkwürdig unfertig, also hat der Kragen auch noch einen Knopf inkl Knopfloch bekommen. Offen lassen geht ja immer.
(Anmerkung der Redaktion: Die zweite Steppnaht auf den Nahtzugaben reichen tatsächlich bei sehr vielen Stoffen zur Versäuberung und haben weniger Materialeintrag als eine normale Versäuberung oder gar eine Overlocknaht. Bei leichten Stoffen kann das sogar besser aussehen. Hab ich schon ausprobiert... Und man kann es auch anwenden, wenn man auf einer alten Tretnähmaschine ohne Zickzack näht. Low-Tech, sozusagen.)
Mit ihrem Ergebnis ist unsere Testerin sehr zufrieden, daher soll es auch noch weitere Versionen geben:
Stoff liegt schon bereit - jetzt für Version A mit Ärmeln. Damit ist wohl klar, daß ich den Schnitt weiter nutzen werde und ihn wieder nähe :). Und meine Schwester hat auch schon Bedarf angemeldet ...
Daher auch eine Empfehlung:
Insgesamt ist die Tunika recht einfach zu nähen (sage ich mal). Anfängern empfiehlt sich allerdings ein steter Blick ins Grundlagen-Nähbuch. Stolperfallen bilden wohl Eckennähen - ungleiche Ecken der Schnitteile - wenn eine spitze Ecke auf eine eher rechtwinklige trifft. Die Orientierung an der Nähnaht wird nämlich nicht extra erwähnt.
Allerdings habe ich auch nur oberflächlich in die per qr-code verlinkten Nähvideos gesehen, vielleicht wird da dieser Punkt dargestellt.
Also ist sie für alle gut nähbar und optisch auf jeden Fall ein Hingucker.
Und trotz einzelner Kritikpunkte ein positives Fazit:
Nach wie vor stört mich an den Schnitten von Vogue, Butterick und co, daß es kaum eine Kantenverarbeitung mit Zickzackstichen oder Overlock gibt. Auch hier wieder wird die Naht nur noch einmal von rechts abgesteppt, ansonten bleibt die Schnittkante offen. Mir gefällt das nicht, für mich habe ich hier die Versäuberung mit Overlock gewählt. Einzig positiver Punkt ist, in den Nähvideos, die über den QR-Code abrufbar sind, wird Kantenverarbeitung auch ohne Overlock erläutert.
Insgesamt finde ich den Schnitt sehr ansprechend. Die Tunika hat das Potential zum Lieblingsteil, im Sommer ohne Ärmel, in kühleren Zeiten dann mit.
Wir danken der Firma Cremer KG aus Euskirchen (Generalvertrieb für McCall's (Butterick, McCall's, Vogue) in Deutschland), für den zur Verfügung gestellten Schnitt.
Recommended Comments
Create an account or sign in to comment
You need to be a member in order to leave a comment
Create an account
Sign up for a new account in our community. It's easy!
Register a new accountSign in
Already have an account? Sign in here.
Sign In Now