Vor der Kür kommt die Pflicht und bei mir hat sich der Stopfwäschestapel im Verlauf der letzten Monate zum Berg und letztlich zum Stopfwäschegebirge aufgetürmt. Bevor ich also in einen neuen Stoff schneide muss das weg. Dass inzwischen alle meine Jeans auf diesem Stapel sind (und ich mir schon eine neue kaufen mußte) zeigt die Dringlichkeit zusätzlich.
Und da das Einhorn nun mal hier ist, darf es sich auch diesen äußerst prosaischen Aufgaben zuwenden. Immerhin (irgendwie muß man sich das ja schönreden) kann ich dabei auf sehr unterschiedlichen Materialien testen.
Aber vorher kümmere ich mich mal um den seltsamerweise ständig anschlagenden Unterfadenwächter.... Die Lösung ist dann ganz schnell gefunden und ebenfalls ausgesprochen banal: Man muß einfach nur die Klappe zumachen... Da ich auch an der Virtuosa immer mit dem großen Anschiebetisch gearbeitet habe, habe ich mir angewöhnt, die Klappe einfach offen zu lassen. stört nicht, man kommt ja wegen des Tisches nicht hin und wenn man mal was fusseliges näht, fällt der Dreck größtenteils gleich direkt raus.... Tja, mit Unterfadenwächter geht das nicht, woraus ich mal folgere, dass der Wächter wohl optisch funktioniert.
Das erste was ich vom Gebirge ziehe, ist ein Frotteehandtuch bei dem sich der Saum aufgelöst hat. Also dickes Material, doppelt eingeschlagen. Läuft einfach und unzickig durch.
Beim Stopfen mit dem Wellenstich/genähten Zickzack hat die B770 einen riesigen Vorteil gegenüber meiner Virtuosa: 9mm Stichbreite. Ein breiter Riss im Schlafanzug, der sonst wenigstens drei, besser vier Reihen Stiche gebraucht hätte ist nach der ersten Reihe schon zu, die zweite Stichreihe ist schon Bonus. - Voreingestellt ist die Stichbreite auf 6mm, läßt sich aber problemlos auf die vollen 9mm verbreitern.
Auch durchgescheuerte Hosenbeininnennähte sind mit nur ein Mal entlangnähen gesichert.
Auch beim bearbeiten von flächig dünnen Stellen am Hosenboden geht das mit dem breiten Stich viel schneller. (Was dazu führt, dass ich eine alte Wollhose mit Elasthan noch mal gestopft habe, die ich sonst eigentlich weggeworfen hätte... aber ich wollte wissen, was möglich ist. Und es geht einfach viel, viel schneller, weil man weniger Reihen braucht.)
Dabei lerne ich dann, daß die Maschine auch einen Oberfadenwächter hat, der alle paar Stiche piepst. Und den ich wegdrücke, bis er wieder piepst... und so weiter und so weiter... bis mir klar wird, dass die Maschine hier klüger ist als ich. Offensichtlich habe ich beim drunterschieben einer eher unzugänglichen Stelle meiner Hose den Oberfaden ausgefädelt, so dass die Maschine ohne Faden nähte... nicht so sinnvoll...
Socken stopfe ich freihand mit einem kleinen Stickring. Wie man das grundsätzlich macht, habe ich in meinem Blog schon vor mehr als zehn Jahren mal gezeigt: Teil 1 und Teil 2. Jetzt kommt das Einhorn ohne Stopffuß, aber der von der Virtuosa passt ja. (Nur wenn man Zickzackstich verwendet, muß man wegen der Breite aufpassen... aber ich nähe ja nur geradeaus.) Also werden auch ein paar Socken wieder nutzbar gemacht. Worauf ich selber achten muß ist, den Transporteur zu versenken und wieder hochzuholen. Nutze ich das BSR, macht mich die Maschine drauf aufmerksam.
Wobei... BSR... ganz viel frei geführtes Nähen brauche ich, wenn ich die Löcher und dünnen Stellen an den Oberschenkelinnenseiten meiner Jeans flicke. Hier sind die Flächen größer und ich nutze den normalen Handstickring. Also wird das BSR wieder rausgeholt. Okay, so macht Jeans stopfen richtig Spaß! (Diesmal habe ich mich für den Modus 2 entschieden... das ist wirklich noch mal einfacher als Modus 1.)
Meine Technik sieht so aus, daß ich unter die dünne oder schon ganz löchrige Stelle alte Mullbinde lege. Das Zeug aus dem Verbandskasten vom Auto, das man eh alle paar Jahre austauschen muß. Kostet nix, stört hinterher nicht und ist genau genug Unterlage, um darauf stopfen zu können. Das spanne ich mit der Jeans in den Stickring.
Im Gegensatz zum "normalen" Stopfen nähe ich bei Jeans meist nur einmal drüber und zwar nicht in der Richtung der Webfäden, sondern in der Richtung der Rippen, die sich aus der Köperwebung ergeben. Das ist zwar eigentlich "falsch", optisch aber weniger auffällig (so man den passenden Blauton für das Garn hat) und hält nach bisheriger Erfahrung länger als das umgebende Gewebe. Zum einen liegt die Mullbinde drunter, zum anderen versuche ich zu Stopfen, so lange die weißen Querfäden des Gewebes noch da sind.
Bei meinen Jeans ist das DIE Schwachstelle (anatomisch betrachtet), so daß ich da dann mehr als eine gestopfte Stelle habe.
Die Stiche werden mit dem BSR spürbar gleichmäßiger als bisher und es macht wirklich so viel Spaß, dass ich gleich noch einige Stellen stopfe, die noch nicht mal richtig dünn sind, aber es sicher demnächst werden könnten... (Was ich dabei noch lerne... wenn der Stoff nicht fest in den Rahmen gespannt ist, motzt der Unterfadenwächter auch...)
Aus dem Gebirge ist jetzt (Jeans sind auch gefaltet dick und ergeben einen hohen Stapel) so allmählich wieder ein Haufen geworden, ein Haufen sehr vermischtes.
Noch eine gemusterte Jeans, bei der ich mit breitem Wellenstich über die innere Beinnaht gehe. Und weil ich ihn habe... nehme ich den Normalfuß 1D und schalte mal den Dualtransport zu. Eigentlich habe ich ja seit einem längeren Kontakt mit IDT eine bekannte "Allergie" gegen Obertransportsysteme und habe das an meiner Bernina auch nie vermisst. Aber man soll ja offen für neue Erfahrungen bleiben...
Wenn man bei einer Jeans genau auf der inneren Beinnaht näht, hat man durch die Nahtzugabe in der Mitte des Nähfüßchens mehr Stoff, als an den Seiten, wo die Hauptauflage ist. Also muß man manchmal ein kleines bisschen am Stoff ziehen, besonders, wenn man zu faul ist, für eine kurze Flicknaht den Nähfußdruck genau einzustellen. Dualtransport dazu... und man kann sich das sparen... läuft!
Und weil er schon mal aktiviert ist, lasse ich ihn laufen. Gummi an der oberen Kante des BH Rückenteils hat sich halb abgelöst... Zickzack, vorwärts, auch rückwärts bis an die Verschlusshäkchen.
So richtig zum Fan des Obertransports werde ich aber beim annähen eines neuen Gummis an die obere Kante einer Schlafanzughose. Die Strecke ist bei mir lang und damit beim Dehnen des Gummis auf die Länge des Stoffes die beiden Lagen nicht beim Nähen auseinanderdriften brauchte ich immer viele Stecknadeln. Das mit dem Vierteln reichte bei mir nicht aus. Mit Dualtransport reichen tatsächlich vier Klammern, der Rest dazwischen läuft in beiden Lagen gerade in die Maschine. Das gilt auch, wenn der umgeklappte Gummi festgenäht werden muß. Da die beiden "Kufen" des Nähfußes da ziemliche Höhenunterschiede haben (einer läuft auf dem Gummi, einer daneben) mußte ich bislang schon deutlich führen und auch genug Nadeln verwenden. Mit Dualtranport geht das von selber.
Dann habe ich da noch ein Unterkleid aus einem superfludderigen und weichen Viscosejersey. Der Saum muß gekürzt werden, weswegen ich ihn einfach noch einmal mehr eingeschlagen habe. Wie die ursprüngliche Version will ich wieder mit dem Federstich drüber nähen. - Den muß ich allerdings erst mal finden, er ist nicht unter den Nähstichen, aber auch nicht unter den Zierstichen. Hier bewährt sich das Handbuch auf Papier. Bei so vielen Stichen ist es deutlich übersichtlicher als die verschiedenen Menus und ich finde aufgrund der Nummer des Stiches dann schnell, dass es ein Quiltstich ist. Muß man ja erst mal drauf kommen.
Säume in so weichen und fludderigen Stoffen nähe ich an sich lieber mit dem Stickfuß 20, weil der weniger fest aufliegt. Der ist aber in der Variante für den Dualtransport nicht dabei. Federstich auftrennen macht keinen Spaß... und die Nähbewegung dabei ist nicht nur nach vorne, sondern auch etwas vor-zurück.... aber gut, ich will die Maschine ja ausprobieren. Also mutig mit Dualtransport und dem normalen Nähfuß. Und... es verschiebt sich nichts. Drei Stofflagen auf der einen Seite des Nähfußes, eine auf der anderen... nicht die geringste Welle in der oberen Stofflage, auch über die Seitennähte säumt das Einhorn völlig unbeeindruckt drüber.
Okay, meine generelle Obertransport-Allergie ist geheilt... geiles Feature.
Wird dann wohl leider teuer, denn wegen der besseren Übersicht nähe ich nach wie vor lieber mit dem offenen Stickfuß 20, den brauche ich dann wohl auch noch in der Variante D, für mit Dualtransport.
Dank der magischen Einhornpower der Maschine ist mein Stoffwäschegebirge auf einmal weg.
Außerdem kann ich durch die vielen Farb- und Fadenwechsel jetzt Ober- und Unterfaden einfädeln, ohne jedesmal ins Handbuch zu gucken. Und lerne die Fadenschere immer mehr zu lieben.
Ich darf den nächsten Stoff zuschneiden... Wenn nicht noch kurzfristig alles ganz anders wird, geht es im nächsten Teil dieser Serie um dünnen Stoff und Knopflöcher.
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